Florian Priemel Podcast

...was aus dem Kopf fällt.

Länge: 1:08:44
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Lars Holscher

Neben der Gesundheit der Helmuts befassen wir uns heute ein wenig mit Jurrasic World, Mad Max – Fury Road, Stefan Raabs Rücktritt und natürlich mit Frage, Fragen, Fragen. Dabei stoßen wir auf dunkle Ecken auf Youtube, feine Nuance des Hasses, Dankbarkeit und immer wieder auf geklaute Fahrräder.

Länge: 1:06:48
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Lars Holscher

Der Link für den Werbeblock: Long Road to Ruin auf Facebook

Und hier direkt auf Youtube: Long Road to Ruin – I’m the enemy

Länge: 1:09:56
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Florian Priemel
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Lars Holscher

Lang, lang ist es her! Nach einer gefühlt (und real) ewigen Pause präsentieren Lars und ich eine neue Episode. Viel Spaß!

Es blubbert wieder in meiner Timeline. Sigmar “Wer hat uns verraten?” Gabriel rührt kräftig die Werbetrommel für öffentlich-private Partnerschaften, um die gröbsten Schlaglöcher aus unseren Straßen und zumindest akute Gefahr für Leib und Leben aus einsturzgefährdeten Schulden zu bekommen.

ÖÖP = Öffentlich Private Partnerschaft

Wie das ganze funktionieren soll, ist eigentlich schnell erklärt: Statt die Autobahn durch den Staat zu bauen, baut sie die Privatwirtschaft und der Staat mietet Sie dann zurück, mit Rendite für erstere versteht sich. Scheinbar ein tolles Geschäft für beide: Die Privaten finden sichere Anlagemöglichkeiten (wer ist schon ein besserer Schuldner als der Staat) und der Staat muss sich nicht weiter verschulden. In den Bilanzen taucht das praktisch nicht auf. Wow. Dass sich der Staat permanent dabei über’s Ohr hauen lässt und am Ende alles viel teurer für uns alle wird…geschenkt!

Interessant finde ich hingegen finde ich, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass sich das vielleicht reichste Land der Welt in einer Situation befindet, in der kein Geld für vor sich hin schimmelnde Klassenzimmer und Straßen im Afghanistan-Syle da ist. Dafür müssen wir ein klein Bisschen zurück in der Zeit schauen. Um das zu erleichtern, bitte einfach HIER klicken.

Die Sozialistischen 80er-Jahre

Wir befinden uns in den 80er Jahren. Unsere Infrastruktur ist einigermaßen heile, der Spitzensteuersatz liegt bei 53%, der Arbeitsmarkt ist noch einigermaßen intakt und die Staatsschulden liegen bei heute unvorstellbaren 30% des BIP. Mit anderen Worten: Ein dringend zu zerschlagendes sozialistisches Utopia. Die Entwicklung der nächsten 20 Jahre ist bekannt: Senkung des Spitzensteuersatzes, der Unternehmenssteuern, Aussetzung der Vermögenssteuer, Flexibilisierung Prekarisierung des Arbeitsmarktes. Wunder, oh Wunder gehen die Steuereinnahmen zurück (wird unter anderem durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (die Unternehmen bekanntlich nicht zahlen, die aber Geringverdiener überproportional belastet) aufgefangen, aber nur ungenügend. Trotz der Verscherbelung des Tafelsilbers (aka der Post und der Bahn) modert unsere Infrastruktur vor sich hin. Dass wir uns nicht falsch verstehen: Die Steuereinnahmen sind nicht gesunken, aber sie sind ganz offensichtlich nicht im notwendigen und Wirtschaftswachstum und Inflation angemessenem Maße gestiegen, wie verrottende Schulen und Straßen zeigen.

Im gleichen Zeitraum sind allerdings die Unternehmensgewinne und Gewinne der Aktien- und Kapitalbesitzer explodiert. Die Reichen (sowohl Privatmenschen mit Aktienbesitz, als auch die Institutionellen, also Unternehmen) wurden im Rahmen der Steuer- und Arbeitsmarktgestaltung mit Geld zugeschissen.

Dann, im Jahre 2007 zeigte sich, dass die Reichen mit dem ganzen Schotter nicht umgehen können und es -gierig wie sie sind- irgendwelchen Bankern gaben, die ihnen abstruse Renditen versprachen. Was dann passierte kennen wir als Bankenkrise. Doch natürlich sagte der Staat nicht, was im Rahmen der angeblich vorherrschenden Wirtschaftsform, nämlich der Marktwirtschaft angemessen gewesen wäre, nämlich: “Legt euch gehackt, das Geld ist futsch, keine Rendite ohne Risiko”, sondern initiierte das was wir als Banken(aka Reichen-)rettung kennen. Man muss sich an dieser Stelle bewusst machen, wie teuer diese Scheiße gewesen ist. Dazu sei diese Grafik ans Herz gelegt, die zeigt, dass der Anstieg der Staatschulden zwischen 2005 und 2010 vom etwa 500 Millarden Euro betrug. Für den selben Betrag brauchte es vorher 20 Jahre. Ähnlich teuer war bisher nur die Wiedervereinigung. Das muss man sich mal vorstellen. Ein komplettes, praktisch deindustrialisiertes Land zu integrieren ist genauso teuer, wie ein Paar Spekulanten und Kapitalbesitzer freizukaufen…

War also ziemlich, ziemlich teuer der Mist. Was unsere Regierung 2009 zu der grandiosen Idee der Schuldenbremse veranlasste, die in Zukunft verhindert, dass besonders die Kommunen sich weiterhin so enorm verschulden dürften.

Klingt erstmal gut, führt aber dazu, dass trotz Zinsen um die 0%, also historisch billigem Geld kein Schotter für unsere modernde Infrastruktur da ist. Dabei wäre die aktuelle Lage an den Geldmärkten eine einmalige Chance schnell mal günstig alles zu sanieren. Was also tun? Die bekackte Schuldenbremse wieder abschaffen und diejenigen, die sich diesen Kappes ausgedacht haben zum Teufel jagen?

Nein, viel besser! ÖPP: Denjenigen, denen man jahrzentelang Geld in den Arsch geblasen hat, das für die Infrastruktur fehlte, Geld in den Arsch blasen, damit sie unsere Infrastuktur in Ordnung bringen! Brillant, oder?!

Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich, dass sich aktuell besonders die Versicherungsunternehmen auf lukrative Investitionsmöglichkeiten freuen. Auch dafür gibt es Gründe, die in der Vergangenheit liegen. In dieser Vergangenheit gab es nämlich mal ein Rentenniveau, das Rentnern ein einigermaßen würdiges Restleben ermögliche. Auch das wurde natürlich von der Politik in Arsch gekloppt. Natürlich nicht, ohne nebenbei wieder den Unternehmen (diesmal Versicherungen) die Taschen voll zu machen und eine beispiellose Kampagne für die Private Vorsorge (Rieser und Co) zu fahren.  Sagen wir es mal so: Auch dass haben die Unternehmen verkackt. Also das Geld eingesammelt, dicke Renditen versprochen die sie nun, aufgrund der niedrigen Zinsniveaus nicht liefern können. Auch hier könnte die Regierung nun wieder sagen: “Legt euch gehackt…” und statt die Versicherungsunternehmen mit Steuergeld zu pampern die staatliche Rente wieder stabil machen. Aber hey…wird sind hier schließlich in Deutschland

Geht kacken. Echt. Oder wählt mal vernünftig…

 

Ich habe gestern Contact gesehen. Den hatte ich nebenbei bemerkt deutlich besser in Erinnerung, aber sei es drum. In diesem Film wird irgendwann ein Mensch gesucht, der durch eine gewaltige Maschine mutmaßlich zu einer außerirdischen Zivilisation geschickt wird. Es gibt natürlich ein Auswahlkomitee mit viel Klim-Bim. Superwissenschaftlicherin Jodie Foster scheitert dort letztlich, weil Sie sich nicht dazu durchringen kann zu sagen, dass Sie an Gott glaube. Irgendein Unsympath hält ihr dann vor, dass Sie aufgrund der Tatsache, dass 95% aller Menschen auf der Erde an irgendwelchen übernatürliches Kappes glaubten, Sie hingegen nicht, nicht geeignet sei diese Mission anzutreten.

Leider sagt Super-Jodie in dieser Situation nicht das einzig richtige, nämlich, dass 95% der Leute dann wohl einfach Angst vor der Welt hätten und man sich halt bei den übrigen 5% umschauen müsste. Das hat mich sehr geärgert.

Denn meist sind es die Blöden, die mit Ihrer Masse argumentieren, wenn sie sich vom Vorwurf freisprechen wollen, blöd zu sein. “Hier stehen 30.000 Leute auf der Straße, die gegen die Islamisierung blablabla…die können ja nicht alle blöd sein!”. Doch. Können sie. Punkt.

Und da ich in letzter Zeit wieder maximal angepisst von der Nachrichtenlage, der Politik, den Medien und eigentlich so ziemlich jedem bin, ist dies hier ein Disclaimer:

Menschen die Idiotische Dinge tun oder sagen, werden von jetzt an Idioten genannt. Menschen die böse Dinge tun oder sagen, werden von jetzt an böse genannt. And so on. Mein Verständnis ist so langsam alle. Geht kacken.

 

Say Cyber one more time!

Foto: http://about.me/violetblue

Man darf die Ereignisse von Paris nicht instrumentalisieren. Kommt, wir instrumentalisieren sie!
Da man es nicht oft genug wiederholen kann: Die Wahrscheinlichkeit bei einem Terror-Anschlag ums Leben zu kommen ist im Westen geringer, als vom Blitz getroffen zu werden.

Trotzdem rennt die politische Klasse wie eben vom Blitz getroffen herum und wütet in wildem Aktionismus um sich.

Nach der Feststellung des Offensichtlichen, nämlich dass der Anschlag von Paris nicht politisch ausgeschlachtet werden dürfe, dauerte es keine 24 Stunden, bis die besonders Intelligenz-Geminderten aus Ihren Löchern gekrochen kamen und ihrem jämmerlichen Standardreflex folgend mal wieder die Vorratsdatenspeicherung forderten.

Da auch das nicht oft genug wiederholt werden kann: Hier der obligatorische Link zu Herrn Stadler, der darlegt, warum die Vorratsdatenspeicherung gegen Terror schlicht und ergreifend maximal sinnlos ist wie ebenso unverhältnismäßig.

‘I am not bothered with civil liberties stuff for terror suspects’ – Boris Johnson (London Mayor)

Ein Paar Tage später wagten sich zunächst der bekannte Bürgerrechts-Verachter David Cameron und der bekennende Whisteblower-Verfolger und Folterer-Amnestisierer Barak Obama aus der Deckung und verkündeten, dass es zur Bekämpfung des Terrors (der wie gesagt keine Gefahr oberhalb des statistischen Grundrauschens darstellt) notwendig sei, dass die unkontrollierbaren Geheimdienstapparate der westlichen Welt jede Art von Verschlüsselung müssten umgehen können. Und zwar völlig unabhängig von der Tatsache, dass Sie bereits ihre bisherigen Fähigkeiten mehrfach außerhalb des gesetzlichen Rahmens eingesetzt, also eindeutig und dokumentiert missbraucht, also illegal gehandelt haben.

Da kann Deutschland natürlich nicht einfach zusehen! Klar, wer neben seiner Beschränktheit auch seine Verfassungsfeindlichkeit per Parteibuch mit sich herumträgt, muss auch hier Farbe bekennen! Und so begab es sich, dass auch unser werter Innenminister “Cyber“-De Maiziere sich nicht lumpen ließ und mit dem Lichtgestalten des Sicherheits-Totalitärismus Cameron und Obama gleichzog.

“Deutsche Sicherheitsbehörden müssen befugt und in der Lage sein, verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln oder zu umgehen”. (De Maizière)

Ich bin geneigt mich verzweifelter Wut hinzugeben und zu rufen: “NEIN, müssen sie nicht, und jetz fick dich und kriech zurück in dein Loch!” Aber es hilft ja auch nichts.

Das war alles erwartbar. Und hier zeigt sich mehr als deutlich, dass die wahre Gefahr für unsere freie, demokratische Gesellschaft nicht von ein paar Irren ausgeht, die sich in die Luft sprengen oder um sich schießen. Das ist Mord und unbestreitbar grausam und schrecklich. Aber für sich genommen nicht geeignet eine stabile Gesellschaft zu erschüttern. Aber es scheint als Stöckchen zu taugen, über das unsere Politiker gern springen, sobald der Terror es ihnen hinhält. Wie dressierte Hunde beginnen die Sicherheitsfanatiker in den westlichen Regierungen alsbald mit der weiteren Demontage dessen, was unsere Gesellschaft noch von denjenigen unterscheidet aus denen sich die Terroristen rekrutieren. Zur Erinnerung: Die EU beispielsweise hat eine Grundrechtecharta, die nach allgemeiner Lesart das Wertefundament Europas konkretisiert. Dort haben wir Dinge festgehalten wie:

In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt die Person in den Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.
[…]
Artikel 8
Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. [Grundrechtecharta der EU]
In Deutschland gilt, durch das Bundesverfassungsgericht festgelegt, seit 2008 des Weiteren das
Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme [Bundesverfassungsgericht zum Urteil des Ersten Senats vom 27.02.2008]
Das Briefgeheimnis sei an dieser Stelle nur als zusätzlicher Hinweis ohne weitere Ausführung in den Raum geworfen.
Wie also sind die Forderungen der ganzen alten, weißen Männer zu bewerten, die Angst vor dem Volk haben?

Die Reaktion auf Terroranschläge war und ist die Demontage von Freiheits- und Bürgerrechten. Guantanamo, Orwellsche Überwachung, Vorratsdatenspeicherung, Nacktscanner, und Anti-Verschlüsselungskamgagnen. Kurzum: Die Bankrotterklärung, die Kapitulation der, die Rechte des einzelnen wahrenden “Freien Welt”. Ein bewusster zivilisatorischer Rückschritt, der die historisch begründet zwingende Einhegung der Macht vor Obrigkeiten verneint.

Es braucht nur ein Paar Spinner mit Bomben und der Westen zerstört sein Wertefundament selbst.

Nochmal: Es sind nicht die Terroristen, die an diesem Fundament ernsthaft Schaden anrichten. Es ist die Politik. Sie machen es dem Terror allzu einfach, nein, sie helfen ihm sogar.

Stellte ich mir vor das ganze Treiben aus der Distanz, oder auch einer gedachten Zukunft, quasi als Historiker zu betrachten, so müsste ich zu dem Schluss kommen: Terroristen und westliche Politiker arbeiten zusammen an der Demontage von Bürgerrechten, Freiheit und Rechtsstaat. Kollaborativ. Die einen liefern den anderen Vorlagen um Pläne, die die anderen eh schon in der Schublade haben zu legitimieren. Ohne die panischen, feigen, dummen und falschen Reaktionen der Politik, hätte der Terror in Europa und Amerika keinen relevanten, gesellschaftlichen Schaden angerichtet.

Terrorismus (lat. terror „Furcht, Schrecken“)

Es gibt keinen Grund vor etwas Angst zu haben, was einen hier zu Lande mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit treffen wird als ein Blitz ein Einhorn. Die Politik aber macht einen Aufstand, als stünde eine Herde brennender Einhörner, auf denen Haie mit Laserkanonen reiten direkt vor dem Reichstagsgebäude und lädt damit die ansonsten eher armselige Bilanz des Terrors massiv auf. Schönen Dank auch.

Ich habe etwas Ungeheuerliches versucht. Und zwar: Nicht mehr meiner ersten, reflexhaften Reaktion nachzugeben und stattdessen die Ängste und Forderungen der Pegida erst zu nehmen.

Dies gestaltet sich kompliziert, besteht doch eine sehr deutliche Differenz zwischen den offiziellen Forderungen des Vereins und dem, was man -zum Teil direkt, zum Teil zwischen den Zeilen- bei den Interviews mit den Menschen heraushört.

Ich habe versucht hier eine gewisse Kongruenz herzustellen und nehme daher an, dass sich aus den offiziellen Forderungen wie:

  • eine gesteuerte Zuwanderung über ein Punktesystem nach dem Beispiel Kanadas
  • eine konsequente Abschiebungspolitik
  • „Null-Toleranz“ gegenüber straffällig gewordenen Zuwanderern
  • verstärkte Wiedereinreisekontrollen
  • Bewahrung und Schutz „der Identität unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur“[Positionspapier]

und dem doch recht schlichten Tenor vieler Interviewpartner, nämlich “Ausländer raus” eine Schnittmenge bestimmen lässt. Ich nehme an, dass grundsätzlich weniger Zuwanderung gewünscht ist, vor allem aber konkret geregelte Zuwanderung nach bestimmten Maßstäben und Regeln sowie konsequente Sanktionierung bei Missachtung dieser. Dies dürfte der Teil sein, auf den sich vermutlich die überwiegende Zahl der Teilnehmer einigen könnte und womit er sich auch zitieren lassen würde.

Ganz unabhängig von möglichen, tiefer gehenden Ursachen für diese Ansichten, sind dies ganz legitime Forderungen. Der Streitpunkt kann sein, ob es sinnvoll ist weniger Zuwanderung zu fordern oder ob die aktuellen Zahlen überhaupt einen realen Anlass zur Sorge bieten. Davon einmal abgesehen, kann man aber in einer Demokratie der Meinung sein, dass zu viele Menschen zuwandern. Und wenn es nur einer ist.

Warum sind diese Menschen so vollständig und vermeintlich irrationaler-weise anderer Meinung, als man selbst?

Die Frage, die gestellt werden muss, besonders wenn der eigene Reflex ist, eher gegenteilige Forderungen an die Politik stellen zu wollen, ist aber: Warum sind diese Menschen so vollständig und vermeintlich irrationaler-weise anderer Meinung, als man selbst. Und wieso gehen sie dafür auf die Straße und wieso haben sie das Vertrauen in Politik und Presse, kurzum in die Institutionen unserer parlamentarischen Demokratie verloren.

Um dieser Frage nachzuspüren, möchte ich ein weiteres Ressentiment aufgreifen, das einem besonders im Netz in Kommentaren und Blogs auf Facebook oder Twitter von Seiten der Pegida-Befürworter begegnet. Nämlich der Diffamierung aller, die gegen sie sind als Grün-Linke Gutmenschen und Gläubige des Systems, welches ebenfalls als “links, grün, gegendert und politisch korrekt” empfunden wird.

Wie kann das sein? In meiner Wahrnehmung ist das Gegenteil der Fall. In meiner Wahrnehmung hat die SPD seit der Agenda 2010 jede Form von linker Politik hinter sich gelassen. Die Energiewende, als einzig originär grünes Projekt von Bedeutung wird vollkommen versaut und was mit TTIP und TISA auf uns zukommt dürfte alles sein, aber nicht links. Gender-Pay-Gap und Mutterschaftsstrafe im Beruf existieren nach wie vor. Und ich kann mich nicht erinnern, dass beispielweise ein Herr Seehofer zerpflückt worden wäre, weil er mal wieder ausländerfeindliche Statements vom Stapel gelassen hat:

“Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren – bis zur letzten Patrone” [SPON]

Political correctness WTF?

Mein “System” ist konservativ bis reaktionär, tendenziell auf dem rechten Auge blind (NSU-Komplex), ein Überwachungsstaat, schleift den Sozialstaat zugunsten des reichsten 1% und beseitigt gesellschaftliche Ungleichheiten (Homo-Ehe) nur dort, wo es gar nicht mehr anders geht.
Das “System” der Pegida-Anhänger ist links-grün, verschafft Ausländern und anderen Minderheiten  wie Frauen (sic!) Vorteile. Es will eine Multikulti-Gesellschaft und traut sich nicht gegen Moscheen in Innenstädten vorzugehen. Es belastet uns wegen der grünen Energiewende mit steigenden Stromrechnungen und erhöht sowieso unablässig die Steuern um das Geld an Asylanten zu verteilen.

Wie kann das sein? Wir leben im selben Land. Aber in unterschiedlichen Filterblasen.

Kurzum:

Ich befinde mich in einer Filterblase. So wie wir alle, die wir Nachrichten wahrnehmen, die wir selbst auswählen, oder die für uns vorselektiert werden. Wie wir alle, die wir uns in der Regel in einem einigermaßen homogenen Freundeskreis bewegen und uns unsere Facebook- und Twitter-Timeslines selbst zusammenbauen. Bereits die Tatsache, dass wir überhaupt Nachrichten schauen oder das Internet für etwas anderes, als den Konsum von Nackedei-Bildern nutzen, erzeugt bei uns einen anderen Blick auf die Welt, als denjenigen, der jemand hat, dessen Freundeskreis dies ebenfalls nich tut und dessen Fenster zur Welt die Titelseite der BILD am Bahnhofskiosk ist. Dieser Blick ist nicht per se weiter, differenzierter oder besser, er zeigt erst einmal nur einen anderen Ausschnitt.

Daher: Ich weiß, dass mein Blick auf das Geschehen in Deutschland und der Welt sehr subjektiv, sehr selektiv und stark gefärbt ist. Die Themen, die in meiner Blase eine Rolle spielen und ihre Gewichtung und Interpretation weichen teilweise sehr stark von den Themen ab, die beispielsweise in der Tagesschau oder auf SPON den Ton angeben. Ich könnte also durchaus veranlasst sein anzunehmen, dass die Medien Themen wie Bürgerrechte oder Vermögensverteilung gezielt verschweigen. Die dreckige Lügenpresse halt.

Arbeitsverweigerung der Politik

Steile These nun: Ich, der ich mich links, liberal und progressiv verorte, bin strukturell aus den selben Gründen unzufrieden, wie diejenigen, die jetzt in Dresden auf die Straße gehen. Unser Vorwurf richtet sich gegen die Politik insgesamt und lautet: Arbeitsverweigerung. Oder treffender: Bloße Verwaltung statt Gestaltung der Zukunft.

Wann immer ich Politiker oder ihre Vertreter wahrnehme sagen Sie: NICHTS. Nullsprech. Dass die Kunst viel zu reden und nichts zu sagen vom Handwerkszeug des Politikers zur existenzerhaltenden Fähigkeit geworden ist, ist längst eine Binse.

Und dass Angela Merkel die Königin der Nichts-Sager ist macht sie seit Jahren so erfolgreich. Ich habe allerdings den Eindruck, dass dieser Erfolg sich beginnt in sein Gegenteil zu verkehren und Pegida das erste deutlich sichtbare Symptom dafür sein könnte.

Angela Merkel und ihresgleichen bleiben immer unkonkret. Um später nicht festgenagelt werden zu können. Und um niemanden zu verschrecken. Es wird von Ihnen ebenso wenig konkrete Pläne zum Breitbandausbau geben (würde mich interessieren), wie die Aussage “125.000 Einwanderer, dann machen wir dicht.” Ich, wie der dresdener Demonstrant wünscht sich aber konkrete Aussagen. Einen Plan für die Zukunft. Dieser wäre der zentrale Punkt, der die Parteien überhaupt erst unterscheidbar macht. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich wünsche mir nicht Führung im Sinne einer Basta-Politik. Sondern vielmehr die Möglicheit überhaupt eine sichtbare Wahl zwischen verschiedenen Positionen zu haben.

Dass Pegida jetzt zur Umsetzung Ihrer Wünsche ein Einwanderunggesetz fordern kann ist Folge der Tatsache, dass die Politik jahrelang nicht in Lage war überhaupt klar zu sagen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und somit eine entsprechende gesetzliche Regelung benötigen könnte.

Das Unkonkrete lässt immer Raum für Zuschreibungen. Die Reibungsfläche am Unkonkreten ist, entgegen den Einschätzung der Politik, enorm.

Mein Kopf gibt inhaltsleerem Politiker-Geschwurbel etwas hinzu. Aus der Diskrepanz dessen, was ich von einer vernünftigen Politik erwarten würde und dem, was ich in den letzten Jahren erlebt habe, wird aus dem Unkonkreten vielleicht folgendes: Die sind zu feige zu sagen, dass sie wahlweise wieder die Interessen der Wirtschaft oder Reichen bedienen werden, die Geheimdienste weiter machen lassen, den Kopf nicht aus dem Rektum der USA ziehen werden oder was auch immer.

Jemand, der sich in einer vollkommen anderen Filterblase befindet, völlig andere Erwartungen an die Politik hat, wird folgerichtig auch andere Zuschreibungen vornehmen, wenn er Worte ohne Inhalt von Politikern vernimmt. Bei ihm wird aus dem Mangel an festnagelbaren Aussagen vielleicht: Sie kümmern sich wieder nicht um Einwanderung, natürlich gibt es keine Kindergeld-Erhöhung, dafür aber die bekloppte Frauenquote, Homoehe der Strom wird immer teurer. Unter der Wahrnehmung der eigenen schwierigen sozioökonomischen Situation wird der unvermeidliche gesellschaftliche Wandel zum offen sichtbaren Teil dessen, was unter der Oberfläche zur Prekarisierung und Destabilisierung weiter Teile der einst sicheren Mittelschicht geführt hat. Multikulti und offene Gesellschaft als Begleiterscheinungen verfehlter Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wobei primär erstere, da einfacher sicht- und verstehbar, als Problem erkannt werden.

Aus “Deutschland geht es gut” wird bei mir “Ja ja, der deutschen Wirtschaft und den oberen 10% geht es gut und immer besser”, bei jemand anderem vielleicht “Ja ja, für Ausländer ist Geld da, aber wir hier sind von Altersarmut bedroht.”

Ich glaube also, dass sich die Unzufriedenheit völlig unterschiedlicher Gruppen in völlig unterschiedliche Richtungen gezielt, aus der gleichen Quelle, nämlich einem Mangel an belastbaren Aussagen aus der Politik speist.

Als ein Indiz am Rande für die Richtigkeit der Richtung meiner These könnte die Tatsache gedeutet werden, dass laut Umfragen 25% der Linken-Wähler mit Pegida sympathisieren.
Allerdings sei noch erwähnt, dass man als “linker Gutmensch” noch einen recht konkreten Vorteil, gegenüber dem Klientel von Pegida hat. Ich habe zumindest die Alternative, meinen Unmut an der Wahlurne mit einem Kreuz bei der LINKEN zu manifestieren. Denn dort finden sich zum Teil recht konkrete Vorstellungen davon, wo eine linke Politik hin möchte.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums besteht diese Möglichkeit nicht. Die NPD ist zwar auch konkret, aber selbst dem Demonstranten in Dresden vermutlich zu verächtlich. Auch in seiner Filterblase ist es nicht in Ordnung offen rechtsradikale zu wählen. Somit bleibt nur die Straße als Manifestation des eigenen, politischen Willens.

Und nur, damit wir uns verstehen: Ich halte diese Stoßrichtung für grundfalsch und Denkfaulheit für eine wesentliche Voraussetzung dafür. Trotzdem wird das Problem Rassismus sich nicht bezwingen lassen, in dem Menschen die bei Pegida mitlaufen lächerlich gemacht werden (auch wenn sie es echt drauf anlegen). Die grundlegenden politischen Probleme müssen angegangen werden. Und die mindeste Voraussetzung dafür wäre, dass Parteien wie Politiker sich eindeutig positionieren. Damit das Volk (da isses wieder) überhaupt die Wahl hat und nicht erst durch Dredsen marschieren und seine Intelligenzminderung in Panorama-Interviews zu schau stellen muss.

Länge: 0:02:07
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Florian Priemel

Die Überschrift kommt etwas reißerisch daher, ich weiß. Und ja, ich weiß, dass nicht jeder, der bei Pegida mitmarschiert automatisch ein Neonazi ist. Das Label das ich verwenden möchte, ist allerdings: Geistig Herausgeforderte TransformationsVerlierer. Das kommt in seiner abgekürzten Form GHTV längst nicht so elegant daher, wie die geile Kombination sich gegenseitig ausschließender Bezeichnungen für die Menschen die aktuell durch Dresden rennen, trifft aber meiner Meinung nach sehr viel eher den Kern der Sache.

Ich möchte an dieser Stelle nicht einfach allen Demonstranten Fremdenfeindlichkeit unterstellen, auch wenn ich glaube, dass ein gewisses Maß an Angst vor dem Fremden in uns allen schlummert und es stets einer gewissen Anstrengung bedarf (beim einen mehr, beim anderen weniger) diese mittels seiner kognitiven Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten. Und ich erkenne an, dass diese Kontrolle sehr viel einfacher ist, wenn man eine gesicherte Existenz, oder zumindest keine existentielle Angst vor der Zukunft hat.

Die Angst davor unter die Räder zu kommen

Womit wir meiner Einschätzung nach exakt bei den Ängsten der Menschen angekommen wären, die man besonders in der CDU/CSU gern ernst nimmt, wenn Sie wie aktuell bei Pegida im denkbar hässlichsten Gewand daher kommen. Was dort auf der Straße zu sehen ist, ist nicht in erster Linie Fremdenfeindlichkeit, sondern die Angst davor bei der rasanten Veränderung der Gesellschaft der letzten Jahrzehnte unter die Räder zu kommen, deren Ventil lediglich die Fremdenfeindlichkeit ist. Das ist in sofern nachvollziehbar, als dass es keinen konkreten Adressaten für die tatsächliche Angst gibt, in der Gesellschaft nicht mehr mit zu kommen. Schließlich müsste man in diesem Falle eigentlich auf sich selbst blicken und an da ist ein äußerer Feind (der Ausländer) natürlich die angenehmere Wahl und bietet gleichsam ein konstituierendes Motiv, das eine Bewegung wie Pegida erst möglich macht. Byung-Chul Han hat die psyologischen Hintergründe der SZ sehr schön dargelegt.

Asylanten kosten Geld! Der BER zwar auch, aber das ist anderes Geld

Warum aber sind die Reaktionen aus der Poltik so merkwürdig irritierend? Warum scheint es zwischen Die Ängste der Menschen ernst nehmen und Eine Schande für Deutschland keinerlei Graubereich, der Differenzierung und Analyse erlauben würde, zu geben?

Die Antwort darauf ist einfach und wirft Licht auf die Gründe dafür, dass die GHTVs Angst vor der Welt, in der sie leben bekommen haben. Denn gesellschaftlicher Wandel ist ja nicht per se schlecht. Und ich bin mir sicher, dass eine Bewegung wie Pegida nicht möglich wäre, wenn die sozioökologischen Verhältnisse in Deutschlan anders aussehen würden. Wenn etwa nicht 18% der Deutschen armutsgefährdet wären und das, was mal die Mittelschicht gewesen ist zwischen Hamsterrad und Abstiegsangst gefangen wäre.

Für Menschen, die auf Sozialhilfe-Niveau oder nur kapp darüber leben, manifestiert sich das dramatische Versagen der Politik eine vernünftige Wirtschafts- und Sozialpolitik zu betreiben, eben nicht nur in Milliardengräbern, wie dem BER und Abgeordneten-Nebeneinkünften im Millionenbereich, sondern eben auch in behördlicher Gängelung und alltäglichen Kämpfen um im Vergleich winzige Summen. Dieser schmerzhafte Kontrast muss -und zwar zurecht!- zum Eindruck führen, dass die da oben sich nicht für die Belange der einfachen Leute interessieren würden. Gleichzeitig entsteht der Eindruck, dass auf dem selben Level, auf dem Behören Zuschüsse und Arbeitslosengeld verweigern, scheinbar Geld für Flüchtlinge und Asylanten da zu sein scheint. Dass diese zum Teil in erbärmlichen Verhältnissen leben, ist erst einmal nebensächlich, entsteht doch der Eindruck, sie würden quasi aus dem selben Topf gespeist, wie der Geringverdiener, dem Wohngeld gestrichen wird.

Diese beiden Erlebnisse sind so nah beieinander, dass es einfach näher liegt, das Problem dort zu verorten, als eben zu verlangen, halt keinen BER zu bauen, den Spitzensteuersatz zu erhöhen oder gar ein grundsätzlich anderes Wirtschaften zu fordern. Und weil es in tragischer Koinzidenz der gleiche eher linke und progressive Teil der politischen, wie gesellschaftlichen Öffentlichkeit ist, der eben das fordert, wie derjenige, der mehr Unterstützung für Flüchtlinge anmahnt, wird der Pegida-Anhänger eben beim der nächsten Wahl die AfD wählen und nicht die Linke. Weil die verspricht das Scheinproblem zu lösen, während die linken Gutmenschen“(Achtung: Kopp-Verlang) in ihren Elfenbeintürmen sich mit Nebensächlichkeiten wie Steuergerechtigkeit und Gender-Bullshit befassen.
Die kaum erträgliche Tragik dieser Situation ist, dass sie sich, so wie es aktuell aussieht, als selbsterfüllende Prophezeiung in die Zukunft fortschreibt. Flüchtlinge, die in Deutschland als erstes auf Menschen treffen, die zwar keine Nazsis sind, aber und gleichzeitig in durch Residenzpflicht und Arbeitsverbot unter Kontrolle gehalten werden, während sie in kümmerlichen Unterkünften auf Ihr Schicksal warten, weil die AfD in der Koalition mit der CDU gerade die Erhöhung der Mittel für den Sozialen Bereich verhindert hat, werden vermutlich eher keine perfekt integrierten Mitbürger werden. Sondern sich auf andere Art und Weise Teilhabe verschaffen. Und dienen damit als Legitimation für die nächste Pegida-Demo 2018.

Ach ja, zur Überschrift: Würde sich die Politik ernsthaft mit den Gründen für die Pegida-Wut auseinander setzen, so müsste sie eingestehen, parteiübergreifend, seit Jahrzehnten versagt zu haben. Aus Dummheit, Unfähigkeit, Bestechlichkeit oder schlicht Ignoranz. Das wäre ein maximaler Offenbarungseid. Diesen kann und wird in Berlin niemand leisten. Daher einfache Antworten, dafür Fremdenhass und daher bleibt alles wie es ist.