Ein persönlicher Nachruf auf Helmut Schmidt

10. November 2015

Eines der ersten Dinge, die ich in meinem Podcast gesagt habe war, dass ich ein Helmut-Schmidt-Fanboy bin. Und nun zwingt mich sein Tod darüber nachzudenken warum das so war. Denn an seinen politischen Positionen -zu seiner Zeit als aktiver Politiker- wie auch heute, lag es im Großen und Ganzen nicht. Im Gegenteil sind sind mir viele der Zitate, die aktuell durch die Medien wehen eher unangenehm. Das gilt auch und besonders für seine prominente Position zu Visionen. Wenn es nicht gerade um Europa und Deutschland in diesem Europa ging, so stimmte ich mit ihm nicht überein.

Ich muss also festhalten, dass es nicht der Inhalt, sondern vielmehr das Auftreten, die Verpackung war, die mich jedes mal in einer Mischung aus Amüsement und Ehrfurcht schmunzeln lies, wenn ich ihn -betonend nicht religiös zu sein- predigen hörte. Dass er dabei die Welt so zu erklären vermochte, dass ich den Eindruck hatte, sie wäre wirklich zu verstehen, könnte man nur alt und belesen genug werden: Geschenkt.

Helmut Schmidt war in seinem Auftreten und Handeln sehr vieles, was meiner Generation ein wenig vorwurfsvoll vorgehalten wird zu sein: Arrogant, bürgerlich, zu angepasst – normal. Horche ich in mich hinein, so stelle ich fest: Es ist der Umstand, dass Schmidt diese, oberflächlich betrachtet, wenig farbenfrohen Eigenschaften in sich vereinen und dabei unendlich würdevoll, prinzipientreu und ja, cool sein konnte, der seine Wirkung auf mich ausgemacht hat.

Der Altkanzler war für mich ein Bindeglied zwischen zwei Welten. Rauchend, in seiner einsilbigen Schnodderigkeit ein kantiger Anachronismus, aber als Workaholic, betont bürgerlicher und alter Mann doch perfekt in die Zeit passend.

Ihn so wahrzunehmen scheint mir ein Phänomen der später Geborenen zu sein, deren Vater, Großvater und Urgroßvater Schmidt gewesen sein konnte. Ihn wahrzunehmen als ein widerspenstiges Überbleibsel der Bonner Republik, die man nur noch am Rande erlebt hat und daher verklärend bunt ausmalt und der kalten Verwaltungsrealität der Berliner Republik zwischen Hartz4, sich in Talkshows windenden Politikern und Bausparvertrag entgegensetzt.

Schmidt als Symbol dafür, dass es möglich ist, jene ungeliebten Eigenschaften, die man als Kind der Berliner Republik an sich selbst entdeckt zu akzeptieren und trotzdem oder gerade deswegen eine echte Person zu sein und irgendwann sagen zu können: Ja, es war gut so. Eine Projektionsfläche auf die in großen Lettern die Botschaft geworfen wurde “Es mag nicht so aussehen, aber es könnte doch richtig sein, was du tust. Und wenn du alt und faltig bist, wird man es sehen. Und bis dahin lohnt es sich du selbst zu sein.”

In diesem Sinne war das Beobachten des alternden Mannes und das Lauschen seiner wortkargen Stimme für mich mehr herzens- als politische Bildung. Und dafür Danke ich

Helmut Schmidt (1918 – 2015)

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