Der ekelhafte Egozentrismus der Flüchtlingsdebatte

25. August 2015

“Das Boot ist voll.” “Deutschland kann nicht alle retten” “Wir können nicht unbegrenzt viele Menschen aufnehmen”. “Asyl okay, aber solche Mengen sind ein Problem.”

Wenn die Vertreter der Regierung zu uns über den Themenkomplex Flüchtlingspolitik sprechen, dann fällt etwas auf. Und es befremdet mich, dass diese Auffälligkeit meines Wissens bisher nicht durch die Medien gepeitscht wurde.

Es ist die vollständig egozentrische Perspektive mit der hier gesprochen wird. Der Maßstab dessen, was möglich ist, ist Deutschland, ist die Frage wie viele Menschen hier Platz finden, wie viel Wohnraum da ist, wie viel Steuergeld verwendet werden kann. Es erscheinen Artikel in denen vorgerechnet wird, was so ein Flüchtling kostet. Diese Perspektive macht die Not der Menschen die hier her kommen aber zu einem nachrangigen Problem. Denn deren Anzahl richtet sich nicht nach der Zahl der hier freiwerdenden Sozialwohnungen! Sondern danach wie viele Menschen es in Armuts- und Kriegsgebieten schlicht und ergreifend nicht mehr ertragen, keine Zukunft sehen. Nur um es mal gesagt zu haben: Niemand verlässt sein Heimatland und begibt sich auf eine unfassbar beschwerliche, potentiell tödliche Reise ins Ungewisse um dort einfach nur mehr Einkommen zu haben. “Wirtschaftsflüchtlinge” your ass!

Um es in einem Vergleich zu verdeutlichen: Diese Deutschland-Perspektive auf die Flüchtlingsproblematik ist in etwa so, als ob bei einem Großbrand erst diskutiert würde, ob der Einsatz nicht zu teuer wird, ob man den Feuerwehrleuten die lange Schicht zumuten könnte und ob es für die Anwohner im angrenzenden Villenviertel nicht schonender wäre Stadtteil XZ einfach abbrennen zu lassen, statt den ganzen Feuerwehrlärm ertragen zu müssen.

Der Brand selbst wird zum nachrangingen Problem, der Maßstab für die zu ergreifnden Maßnahmen ist ihre vermeintliche Durchführbarkeit.

Genauso verhält es sich in der Flüchtlingsfrage. Statt die existenzielle Not der Menschen, die ihre Heitmat verlassen zum Maßstab des Handelns zu machen und alles zu tun, um mit den Menschen würdig umzugehen die kommen, wird darüber diskutiert wie viele denn überhaupt kommen dürfen. Wird über die Folgen für die Menschen in unserem Land gesprochen. Um es ganz klar zu sagen: Es sterben tausende Menschen, die versuchen auf überfüllten Booten nach Europa zu kommen. Aber nicht das ist das vorrangige Problem politischen Handelns, sondern die Frage wie viel Belastungen man den Deutschen zutrauen kann.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nicht ein Spitzensteuersatz von 45 % und nicht das Recht auf gleichbleibend homogene biodeutsche Inzestdörfer bewohnt von Menschen mit lächerlichen Akzenten.

Um Jean Ziegler abzuwandeln und es zuzuspitzen: Jeder Mensch, der auf der Flücht ums Leben kommt wird ermordet. Und nicht von gierigen Schlepperbanden.

Auch wenn es vielen nicht gefällt, haben wir kein Recht darauf, auf einer Insel der Glückseligen zu leben der der Rest der Welt egal ist, solange dieser Rest nur unsere Autos und Panzer kauft. Vielleicht ist es in den letzten eher ruhigen 25 oder 50 Jahren in Vergessenheit geraten, aber Geschichte ist nicht die zwingende Entwicklung, dass es immer besser wird. Und wenn es bisher nicht zu den verfickten Deutschen durchgedrungen ist, dass sie kein gottgegebenes Recht auf jedes Jahr 14 Tage Malle haben, während anderwso Menschen verhungern oder ertrinken oder von Bomben zerflext werden, dann wäre es vielleicht mal an der Zeit, dass irgendjemand, vorzugsweise jemand der an der Spitze dieses Staates steht, es ihnen erklärt. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

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Florian Priemel © 2017